Friday, October 21, 2016

Fall, der.

"Ich könnte jetzt erzählen, wie ich nach dem Fall so am Boden lag, die starren Augäpfel in einen sixtinischen Himmel gerichtet, während das Leben in tonlosen Filmschnitten an mir vorbeizog und Passanten schreiend um mich herumliefen, die Mutigen sich niederknieten und den Blutstrom aus meinem Hinterkopf mit ihrer Jeansjacke stoppten und die Feigen ein bisschen gafften in ihrer Hilflosigkeit, ich könnte also erzählen, wie ich da am Boden lag, auf dem Rücken und ein Bein ganz komisch abgewinkelt, weil sie das im Fernsehen so machen, und von oben auf mich selber herunterschaute. Ich könnte das jetzt erzählen, weil ich tot bin und euch erzählen kann, was ich will und weil ich genau weiß, dass ihr das hören wollt, wenn man das eben in jedem Film so zu sehen bekommt und verdammtnochmal, wenn man schon sterben soll, dann kann es ja ruhig auch ein bisschen dramatisch sein. Rückwärts hat man Narrenfreiheit - aber nachdem ich mein ganzes kurzes Leben lang gelogen habe, bis ich selber nicht mehr wusste, ob ich mir eigentlich über den Weg trauen kann, habe ich eines gewittrigen Mittwochs beschlossen, mich quer auf diesen Weg zu legen und von einem Siebentonner der Marke Magirus Deutz überfahren zu lassen.

Und deshalb verschone ich euch mit dieser Nicholas-Sparks-Scheiße und sage euch mal, wie das wirklich ist mit der Schwäche und dem Tod: Es ist nicht lustig. Und hat nichts, aber so wirklich gar nichts, Glanzvolles an sich. Am Ende reduziert sich alles auf die niedrigsten Körperfunktionen und selbst das wird in den Storys immer würdevoller dargestellt als es wirklich ist. Wenn man vom Auto angefahren wird, pinkelt man sich in die Hose und im schlimmsten Fall ist man schon wieder bei Bewusstsein, wenn der Notarzt kommt, und muss mit klebrigem Unterleib selber zum Seitenstreifen humpeln. Ihr wollt zu sehr das Drama, ihr verstörten Seelen.
Am Ende vergisst man das Fallen; das Aufschlagen bleibt für immer."






Bild: privat (Marrakesch, September 2016)
 

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