Monday, April 08, 2013

There is a pleasure in the pathless woods/ There is a rapture on the lonely shore.


"Sie war immer schon ein Meerkind gewesen.
Während andere Kinder auf Bäume kletterten, saß sie alleine auf einer Düne im wehenden Gras und starrte auf das Meer vor sich. Hielt ganz still. Wie ein Porträt, das jemand in den Sand gezeichnet hatte. Beobachtete den immer gleichen Rhythmus der sanft anrollenden Wellen und dachte nach. Stundenlang. Oft fand man sie abends schlafend im Sand, eingerollt wie ein Embryo, die Faust fest um Muscheln und andere gesammelte Schätze des Strandes geklammert. Egal wie tief sie schlief, ihre Finger lösten sich nie auch nur ein kleines Stück, sondern hielten so beharrlich daran fest, als hielte sie ihr ganzes Leben in dieser Faust. Und vielleicht hatte sie wirklich für diesen einen Moment die ganze Welt in ihrer Hand.
Keiner wusste so richtig, wieso ihr das Meer so viel mehr bedeutete als anderen. Wahrscheinlich hat sie es von ihrem Großvater, der sein ganzes Leben auf See verbracht hat, dachten ihre Eltern oft. Aber wahrscheinlich liebte sie es, weil es einfach da war. Immer. Ausnahmslos. Ohne Wenn und Aber. Während andere ihr mal wieder Dinge versprachen, die sie nicht einhielten, wenn ihre Wünsche auch nach der zehnten Sternschnuppe nicht in Erfüllung gingen, konnte sie darauf zählen, dass wenn sie aus ihrer Haustür ging und um die Kurve bog, das Meer dort so ruhig da lag, als hätte es nur auf sie gewartet.
Sie mochte die Stille. Das Meer gab ihr keine Antworten, aber es stellte auch keine Fragen. Es konnte einfach nur verdammt gut zuhören.
Später suchte sie dort Abstand zu den immer gleichen oberflächlichen Gesprächen und Problemen in ihrem Umkreis. Sie bemühte sich stets, ihre Rolle so zu spielen, wie man es von ihr erwartete. Sie wusste stets das Richtige zu sagen, hörte geduldig zu und lachte in den passenden Momenten. Doch innerlich fühlte sie sich fehl am Platz, verloren wie eine Taube im Papageienkäfig. Sie spielte ihr Spiel gut, doch wenn der Vorhang gefallen war, nahm sie ihre Perücke ab und ging zum Strand."

Wednesday, April 03, 2013

No clay-born lilies of the world / Could blow as free / As those wild orchids of the sea.

 
 
Fliegen. Fliehen.
Wenn man es nur könnte.
Wie die Seemöwen den Strand umkreist man kreischend seine Sorgen, dreht sich im Kreis, findet keinen Ausweg. Es gibt kein Vor und kein Zurück. Und deshalb bleibt man einfach zitternd stehen und hofft, dass einen jemand aufhebt und weiterträgt.
Manchmal wacht man nachts auf, weil man geträumt hat, dass man ertrinkt. Und manchmal wacht man auf, weil man im Traum aus den Fluten gerettet wurde. Und wenn man sich den Schlaf aus den Augen gerieben hat, muss man feststellen, dass das Wasser noch genauso hoch steht wie am Abend zuvor.
Fliegen und Fliehen.
Die Arme ausbreiten, sich in den Himmel schrauben, und weg. Egal wohin. Hauptsache es ist nicht da, wo man vorher war. Und wo alles ist, wovor man weglaufen möchte.
Nackte Füße im Sand statt Wollsocken im Bett. Sommerkleid statt Schlafanzug. Ein Lächeln auf den Lippen statt Trauer in der Brust. Es wird Zeit, dass der Winter verschwindet und alles mit sich nimmt.