Tuesday, January 01, 2013

Today is the first blank page of a 365 page book. Write a good one.

Die Zeit greift mit Staubfingern nach uns und wir sind so beschäftigt, Pläne zu machen, dass wir gar nicht merken, dass währenddessen Seite um Seite umgeblättert wird. Gestern konnte ich fast hören, wie um Mitternacht ein dickes Buch energisch zugeklappt wurde, etwas Staub aufwirbelte und dann zu den anderen Jahren ins Regal gestellt wurde. Und heute sitze ich mit leergefegtem Kopf, der sich trotzdem seltsam schwer anfühlt, vor einem weißen Blatt und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Wie immer, wenn ich ein gutes Buch fertig gelesen habe, schlage ich es noch einmal auf und versetze mich zurück in die Lage, als es noch neu und aufregend war und ich nicht wusste, was mich erwartet. Wie immer, wenn etwas zu Ende geht, bin ich wehmütig und sträube mich wie ein kleines Kind gegen alles, was unbekannt ist. Und wie immer würde ich das Buch am liebsten nochmal lesen, jetzt wo ich weiß, dass ich mich darauf freuen darf und am Ende alles gut ausgeht.
Aber ein Jahr ist nunmal kein Buch, dass man einfach nochmal lesen und alles von neu erleben kann. Man kann es höchstens aus dem knarzenden Regal ziehen und hin und wieder darin blättern, den Geruch der vergilbten Seiten aufsaugen und sich an das Gefühl erinnern, das man beim Lesen hatte.
2012 war ein gutes Buch. 12 Kapitel, 365 Seiten, unzählige Erinnerungen.
Im Januar selber Glückskekse backen. Im Februar ans Meer fahren, sich die salzverkrustete Luft um die roten Ohren wehen lassen und den Kopf frei kriegen. Im März ein letztes Mal mit der Schule wegfahren, bevor das Lernen losgeht, und einfach nochmal unbeschwert sein, bevor man dieses Gefühl für die nächsten paar Monate luftdicht verpackt und wegschließt. Im April einen schwarzen Schwan auf der Bühne des Prinzregententheaters tanzen und sich in solchen unvergesslichen Momenten auf der Bühne bewusst werden, dass sich alle Zeit und Proben immer lohnen werden. Im Mai versuchen, die Nerven zu bewahren, während man alle paar Tage in einen stickigen Raum geballter Anspannung gesperrt wird und panisch Abiturangaben vollkritzelt, in der Hoffnung, irgendetwas Brauchbares zu produzieren. Im Juni endlich wieder aufatmen und auf einen Schlag alles nachholen, was man während der Prüfungen verpasst hat: Tage am See, Nachmittage im Freibad, Abende im Biergarten, Nächte auf Dachterrassen. Im Juli eine Reise machen, die sich wie ein Mosaik aus tausend Eindrücken zusammensetzt und und die man nie vergessen wird - im Whirlpool sitzen und die heißen Tropfen am Körper spüren, während der Kopf von kalter Ozeanluft umwirbelt wird, Blaubeerpfannkuchen zum Frühstück essen, einen Wal aus dem spiegelglatten Atlantik springen sehen, durch Central Park spazieren und die zutraulichen Eichhörnchen beobachten. Im August misstrauisch werden angesichts der sich häufenden kleinen und großen Glücksmomente. Im September dem Haus einen neuen Anstrich geben, und dem eigenen Leben gleich dazu, während man sich zur rauhen Stimme von Norah Jones durch verstaubte Kisten mit unzähligen Kindheitserinnerungen wühlt, um dann aufzustehen, sich den Dunst von den Knien zu schütteln und einen Job in einem kleinen Laden voller Schokolade zu beginnen. Im Oktober nach Pisa reisen, geliebtes bella italia, und dann ein neues Leben als Studentin der Literatur beginnen. Im November sich einnisten in seinem neuen Leben, neue Menschen kennen lernen, neue Bücher. Im Dezember dem Tanzen erneut verfallen, neun Auftritte in zehn Tagen, währenddessen immer gestresst und genervt, hinterher immer wehmütig und dankbar für jede einzelne Minute auf der Bühne.
Das sind Erinnerungen vom letzten Jahr, die ich für immer einfangen will. Die anderen schiebe ich weg, sperre sie in eine kleine Holzkiste und schmeiße den Schlüssel weg.

Für 2013 nehme ich mir nicht viel vor, irgendwann hat man gelernt, dass man sich sowieso nie an Vorsätze hält. Aber ich will versuchen, mehr zu lesen und vor allem mehr zu schreiben. Und ich will in diesem Jahr nach Paris. Weil ich einfach das Gefühl habe, dass ich dort hingehöre. Dass dort, zwischen Eiffelturm und Straßencafés, mein Platz ist. Ich bin hier nur auf dem Sprung.


Bild: Toffee Maky (flickr.com) unter cc by-sa 2.0